Was ich nie erlebt habe, das kann ich nicht vermissen! Was ich nie besessen habe, das kann ich nicht verlieren und was ich nie gekannt habe, das wird mir nicht abgehen….
Freiheit ist ein hohes Gut, vielleicht das höchste. Wer allerdings nie wirklich frei war, der mag sogar Angst vor ihr haben. Vor der Freiheit!
Stell dir einen Vogel im Käfig vor, womöglich in einem goldenen…..Nun öffnest du eines Tages die Käfigtüre und zu deiner Überraschung bleibt der Vogel IM Käfig sitzen. Er versteht nicht, warum er durch diese Tür gehen sollte….fliegen hat er womöglich ganz verlernt, und er fühlt sich sicher in der gewohnt engen Umgebung.
Warum das Bekannte aufgeben, um in eine unbekannte und womöglich unsichere Atmosphäre zu gelangen? Was man hat, das hat man und was man kennt, das kennt man. Dass dieser Vogel gar nicht in seinem natürlichen Lebensraum ist, das ist ihm nicht bewusst. Man hat ihn schon sehr früh in diesen Käfig gesetzt und so beschwert er sich auch heute nicht. Will nicht ausbrechen, nicht umherfliegen, nicht erkunden, explorieren, in Begegnung gehen mit anderen Vögeln und der Natur. Kurz: Er kennt nur dieses kleine Leben und macht sich deshalb gar nicht auf die Suche nach einem größeren.
So kann man auch Menschen gefügig machen. Man muss sie nur von Anfang an klein halten, ihnen die Flügel stutzen und bei jeder Gelegenheit in den Käfig zurückdrängen. Hat man lange genug die Türe verschlossen gehalten, muss man nicht mal mehr Angst haben, wenn man sie öffnet. Der so konditionierte Mensch wird nicht ausbrechen wollen! Kommen nun andere Menschen vorbei, die zu ihm sagen: „Aber Paul, warum nimmst du dir nicht auch mal mehr Raum, warum fängst du nicht an, richtig u leben?“, so versteht Paul diese Argumente überhaupt nicht. Er lebt doch, jeden Tag und jede Stunde. Er sieht, wie die anderen kommen und gehen, wie sie aktiv sind, gestalten, nach eigenem Willen handeln, und doch bleibt er nur Beobachter. Er ist nicht unglücklich, weil er nichts anderes kennt und vor der großen weiten Welt hat er Angst.
Vielleicht ist es auch schon zu spät, um auf Entdeckungsreise zu gehen, denkt Paul. Das hätte man früher machen müssen, als man noch jünger war. Heute, mit den alten Flügeln und so mancherlei Gebrechen, außerdem lohnt es sich jetzt auch gar nicht mehr, noch einmal ganz neu anzufangen. Und schlecht ist es ja auch nicht im goldenen Käfig. Wie immer halt….
Wie geht es dir, wenn du diese Geschichte hörst, wenn du diesen Schilderungen lauschst und versuchst, dich in Paul einzufühlen? Würdest du gerne mit ihm tauschen? Wärst du gerne an seiner Stelle? Beneidest du ihn um sein Dasein im Käfig?
Und inwieweit identifizierst du dich mit Paul? Erkennst du dich in ihm wieder oder bist du der Vogel, der frei herumfliegt? Der sich seine Wünsche erfüllt, seine Bedürfnisse kennt und befriedigt, der etwas aus seinem Leben macht? Und wenn das Leben morgen vorbei wäre, hättest du es dann richtig gelebt? Dein Potenzial ausgeschöpft, dein Glück bei den Hörnern gepackt und nach deinen Vorstellungen geschmiedet? Im Rahmen aller Möglichkeiten, selbstverständlich. Nicht alles geht für jeden und auch Umstände verlangen unsere Anpassung. Aber eben im Rahmen des Möglichen? Hast du da gehandelt und wärest satt und zufrieden? Oder hat in zu vielen Situationen, an zu vielen Tagen die Angst regiert?
Angst, den Unmut anderer auf dich zu ziehen? Angst, es nicht zu schaffen „da draußen“? Angst, nicht so gut zu sein wie andere oder ganz einfach zu scheitern? Angst, dann ausgelacht zu werden und Angst, dass du dich blamierst? Angst, enttäuscht zu werden, wenn du nach den Sternen greifst? Ist das große Kuchenstück nur für die anderen gedacht und du bleibst bei den Bröseln, die abfallen. Weil es schon immer so war, weil diese Haltung dir vertraut ist und somit weniger Stress und Angst macht?
Das kann gut sein, denn natürlich reagiert unser Gehirn und auch unser Nervensystem auf Veränderung und Herausforderung. Natürlich sind wir entspannter am eigenen Küchentisch oder auf dem heimischen Sofa, wo wir vielleicht schon Jahre oder Jahrzehnte sitzen. Aber ist das die Welt? Ist das das Leben?
Und wer bestimmt eigentlich, wer welches Kuchenstück bekommt? Hat es nicht auch damit zu tun, dass man es sich nimmt? Ohne Egoismus oder Manipulation. Einfach, weil jedem etwas zusteht, nicht nur allen anderen. Wer das nicht in jungen Jahren gelernt hat, der lernt es vielleicht nie oder aber auch…..er lernt es einfach später.
Wo stehst du bei dieser Frage aktuell? Stehst du noch an dem Punkt, an dem du es noch einmal wissen willst? An dem noch ein Fünkchen Abenteuerlust und der Wunsch nach Größerem, Höherem, nach MEHR da ist?
Möglicherweise etwas versteckt, ganz hinten im Herzen…..im Bauch….im Solar Plexus…..wenn da nicht die andere Stimme dazwischen käme und warnt: „Das schaffst du eh nicht! Dafür hast du gar nicht den Mut! Damit kennst du dich nicht aus! Und was machst du, wenn es nicht gelingt?“
Ja genau! Was machst du, wenn es nicht gelingt? Dann bist du eben wieder an deinem Küchentisch und denkst dir etwas anderes aus. Wenn wir uns in neue Gefilde vorwagen, ist es immer ein Versuch, ein Experiment, ein Vortasten. Kein Mensch weiß, ob etwas gelingt, wenn er es zum ersten Mal macht! Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, wobei, manchmal finde ich, dass man recht schnell in seiner persönlichen Meisterschaft ist, wenn einem etwas wirklich liegt und Freude und Erfüllung bringt.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich mit meiner Tätigkeit als Therapeutin begonnen habe. Dieselbe Erfüllung ergreift mich noch heute und dieselbe Begeisterung für die Klienten und Themen der Psychologie bereichern mein Leben ungemein. Ich könnte und möchte mir keinen anderen Beruf vorstellen, auch und gerade deshalb, weil er mir unendlich viele Freiheiten bietet und Entwicklungspotenzial ohne Ende. Ich muss nie 2 Jahre das Gleiche machen, wenn ich nicht will. Ich kann mich nach allen Seiten ausbreiten und ausdehnen, ich kann aber auch Bewährtes beibehalten und somit eine Wachstumspause einlegen.
Alle meine Berufe davor haben mir ebenfalls großen Spaß gemacht. Egal, ob beim Südwestrundfunk oder am Hochbegabtengymnasium, unterrichten, Internatsbetreuung oder das Radioprogramm zusammenstellen, alles hatte seinen Reiz. Allerdings – allerdings wurde es auch reizlos, nach einer gewissen Zeit. Meist so nach 2-3 Jahren, wenn ich alles kannte, wollte ich weiter und war dann erstmal begrenzt, weil es eben Strukturen gab. Erst in meinem heutigen Beruf als Psychologische Beraterin und Therapeutin habe ich alle Möglichkeiten, die ich mir wünsche.
4 Jahre alleine in Ägypten direkt am Meer zu leben! Von jedem Ort auf der Welt aus arbeiten zu können, meine Tage selbst einzuteilen und auch das Pensum selbst zu bestimmen. Einfluss darauf zu haben, mit welchen Klienten ich arbeiten möchte und mit welchen nicht. Selbstbestimmt und unglaublich vielseitig, das habe ich erst verstanden, als ich es hatte, dass das wichtig für mich war. Meine Mutter hatte immer zu mir gesagt: „Du bist nie zufrieden! Immer wieder musst du was Neues machen. Bleib doch einmal bei dem, was du grad angefangen hast!“ Puh, 40 Jahre als Lehrer in die gleiche Schule gehen….so wäre ich gerne gewesen, aber so war ich nicht!
30 Jahre in den gleichen Betrieb pendeln, auch das war ich nicht. Ein Leben lang im gleichen Ort wohnen, das war ich ebenfalls nicht. Als ich eingesehen hatte, dass meine Mutter andere Werte hatte als ich, da konnte ich mich befreien. Wer sagt eigentlich, welcher Wert der Bessere ist? Die Veränderung oder die Beständigkeit? Ist nicht Beides wichtig? Und gibt es nicht Menschen, denen eher die Beständigkeit liegt und wieder andere, die in der Veränderung aufblühen? Und käme die Welt eigentlich voran, wenn wir das Leben immer nur verwalten würden so, wie es jetzt ist?
Steh zu dir, lern dich wirklich kennen, betrachte deinen Käfig und die offene Tür! Lass dich abholen, wenn dir das Wagnis zu groß ist, einfach loszufliegen. Umgib dich mit anderen, die den Sprung schon gewagt haben und deine Bedenken kennen. Sage dir, dass du jederzeit zurück kannst in deinen Käfig, wenn es dir draußen zu ungemütlich wird.
Ich kann dir von den vielen hundert Klienten, die ich schon beim Sprung begleitet habe, sagen, dass noch keiner zurückgegangen ist, dauerhaft, in seinen Käfig. Vielleicht mal, um eine kurze Pause einzulegen, zu regenerieren, aber niemals längerfristig. Bei jedem Schritt, den die Klienten in Richtung Freiheit gemacht haben, sind sie mehr aufgeblüht und haben mehr Mut gefasst. Mit jedem Schritt stieg das Verlangen, auch noch den nächsten zu machen und den nächsten….
Sie sind bei sich selbst angekommen, haben Abhängigkeiten hinter sich gelassen (auch von Eltern teilen) und sind in ihr wahren Potenzial hineingewachsen. Die passenden Menschen kommen auf dem Weg, denn die sitzen heute nicht mit dir am Küchentisch!
Ich wünsche dir ein großes Leben – kein kleines – und ich wünsche dir, dass du dich auf die Suche danach machst – besser heut als morgen! Lass dich nicht von ängstlichen Mitmenschen beschränken. Sie haben zumeist keine guten Motive, wenn sie dir dein persönliches Wachstum nicht gönnen und nicht fördern. Mach es in deinem Tempo und in deiner Zeit. Geh raus aus deiner Komfortzone, weil sich diese allzu häufig am Ende als Käfig herausstellt!!