von Angelika Beck

Und plötzlich ist sie da, die Einsamkeit. Sie legt sich über dein Leben wie ein schwerer Mantel, verdunkelt dein Dasein und reduziert deinen Aktionsradius. Einsamkeit macht Angst und die damit verbundene Scham ist häufig so groß, dass niemand gerne zugeben mag, dass er einsam ist.

Sozialforscher haben herausgefunden, dass gerade in Deutschland die Scham darüber, einsam zu sein, besonders hoch ist. „Mit mir kann ja irgendwas nicht stimmen, sonst wäre ich nicht so einsam“ oder „Mit mir hält man es scheinbar nicht aus, sonst hätte ich ja mehr Freunde!“ Solche und andere Gedanken führen schnell zur Selbstabwertung und damit zu Isolation und Verunsicherung.

Evolutionär betrachtet muss sich der Mensch in Gruppen aufhalten, weil er nur so wirklich geschützt ist. Wer aus der Gruppe ausgestoßen wird, der kann leicht zum Freiwild werden und ist somit erhöhter Gefahr ausgesetzt. Zumindest in früheren Zeiten war es also wichtig, sich mit den anderen Gruppenmitgliedern zu arrangieren und so stand die Gruppe eindeutig über dem Individuum. Heutzutage ist dies anders. Wir wählen Freunde viel bewusster aus, wollen keine Lebenszeit investieren in andere Menschen, die uns nichts bringen, langweilig sind, nicht unserer sozialen Schicht entsprechen oder nicht auf unserem Weg sind.

Durch Arbeitsplatz- und Wohnungswechsel gehen soziale Beziehungen heutzutage viel häufiger verloren als früher, wo man meist das ganze Leben in einer Dorfgemeinschaft verbrachte. Da gab es Vereine, in denen vielleicht schon der Vater war, den Kirchenchor, die Clique am Dorfbrunnen usw. Man war mit den Leuten aus der Straße befreundet oder aus der Schulklasse, entwickelte sich mehr oder weniger ähnlich und die Leben verliefen vielfach parallel. Man suchte also nicht gezielt nach Menschen, die passend waren – evtl. auch für die jeweilige Lebensphase – sondern arrangierte sich mit denen, die da waren. Ähnliche Herkunft und ähnliche Lebenskonzepte machen schon häufig eine natürliche Passung aus.

Was aber ist mit denen, die kosmopolitischer unterwegs sind? Die öfters umziehen, weltoffener sind, mehr Veränderung unterlegen und somit kein Umfeld haben, das gewachsen und langfristig da ist? Was ist mit den Menschen, die im Alter durch Tod oder durch Armut kaum mehr ein soziales Umfeld haben? Sind all diese Menschen, nur weil man sie in ihrer Einsamkeit gar nicht öffentlich wahrnimmt, alle neben der Kappe, sonderbar und wunderlich? Oder ist es nicht vielmehr ein Phänomen unserer Zeit, des gesellschaftlichen Wandels, der Preis, den wir für die Effizienz und der Möglichkeit zur Selektion bezahlen?

Und was ist mit den Menschen, die durch eine Partnerschaft mit einem Narzissten in die Isolation geraten sind? Weil sie gar nicht bemerkt haben, wie dieser sie von den sozialen Kontakten abgeschnitten hat, um den Druck erhöhen zu können, um mehr Macht ausüben und somit besser be-herrschen zu können? Je weniger soziales Umfeld wir noch haben, umso mehr Macht hat der Narzisst. Wenn er fast der einzige Mensch noch ist in unserem Leben, so macht er quasi 100% unserer sozialen Kontakte aus und somit steigt sein Wert und seine Bedeutung ins Unermessliche. Ihn dann auch noch aufzugeben, würde ja bedeuten, völlig alleine dazustehen.

Ganz so krass ist es zumeist nicht, aber die Tendenzen in diese Richtung sind ganz eindeutig. Viele Opfer haben nach einer längeren narzisstischen Beziehung deutlich weniger Sozialkontakte und Freunde als zu Anfang. Auch der Kontakt zur Familie wird häufig schwieriger, man gerät immer mehr zwischen die Fronten und muss sich entscheiden. Wenn man zum Narzissten hält, ist man gewissermaßen gezwungen, gegen die anderen zu sein. Manchmal verabschieden sich auch Freunde und Bekannte, weil sie unser Leid nicht mehr mit ansehen oder unser Gejammer nicht mehr hören können. Weil uns eh nicht zu helfen ist und damit verschiebt sich das Gewicht erneut in eine ungünstige Richtung. Wir sind nicht mehr Teil einer Gemeinschaft, sondern häufig isoliert mit dem Narzissten. Manchmal verabschieden sich sogar die eigenen Kinder von uns, weil sie mit der Situation, den Streitigkeiten und der negativen Energie überfordert sind. Mache Freunde und Familienmitglieder können auch nicht ertragen, was im Laufe der Beziehung aus uns geworden ist, sie sehen den Verfall von außen und ziehen sich zurück.

Und was ist mit den Menschen, die durch eine narzisstische Beziehung krank geworden sind? Unter ständiger Erschöpfung, Schmerzen, Angstzuständen, Depressionen, Burnout, PTBS, Schlafstörungen und vielem mehr leiden? Auch sie werden zu Vergessenen, liegen in dunklen Räumen, isoliert und einsam. Sie können nicht mehr teilnehmen am gesellschaftlichen Leben, sind nicht mehr fähig zu Spaß und Vergnügen, zu traurig, zu ernsthaft, zu beschädigt. Andere Menschen sind für sie zu anstrengend und sie sind zu anstrengend für die anderen.

Einsamkeit macht krank und führt zu einem früheren Tod. Es ist als gesundheitlicher Risikofaktor so schlimm und schädlich wie das Rauchen. Herzinfarkt, Schlaganfall und die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, all diese Risiken sind erhöht. Es kann und darf also nicht dabei bleiben, dass wir, wenn betroffen, in Scham verharren, sondern es muss gesagt werden, dass es sich um ein gesellschaftliches Phänomen handelt und nicht um die Schuld von Einzelnen!

Gefahr erkannt – Gefahr gebannt! So einfach wird es vielleicht nicht gehen, aber das Erkennen ist immer ein Anfang. Wenn ich realisiere, dass ich damit nicht alleine da stehe, dass es nicht daran liegt, dass ich ein komischer Kauz oder eine seltsame Zicke bin, sondern dass es andere Gründe und Ursachen dafür gibt, dann kann ich anfangen, zumindest einmal den Gedanken an „Wie wäre es, wenn ich meine Einsamkeit ein ganz kleines Stückchen aufgeben könnte“ zuzulassen.

In meinen Kursen habe ich die Elemente Gruppen- und Einzeltherapie kombiniert. 5 Personen starten den Prozess des narzisstischen Ausstiegs bzw. der Verarbeitung gemeinsam und obwohl sie sich anfangs nicht kennen, entsteht immer ein soziales Netz, das die Mitglieder dann auch durch diesen Prozess zusammenbindet und trägt. Ganz häufig entstehen durch das gemeinsam Erlebte Bekanntschaften und Freundschaften, die weit über das Kursprogramm hinaus anhalten. Zum ersten Mal erleben wir (wieder), uns in einer kleinen und geschützten Gemeinschaft zu öffnen und uns so zu zeigen, wie wir wirklich sind. Durch das positive Feedback und das Angenommen-werden der Anderen, verbessert sich unser Selbstbild und viele nehmen sich in diesem Prozess zum ersten Mal als liebenswert wahr und sind ganz erstaunt, wie gut sie ankommen 🙂

Nach einer traumatischen Beziehung und/oder Trennung brauchen wir häufig ein wenig Schützenhilfe, um wieder in ein gutes Leben zu finden. Manchmal sogar, um zum ersten Mal in ein gutes Leben zu finden. Bei Kindern von narzisstischen Eltern-teilen ist das Phänomen Einsamkeit verbreiteter im Vergleich zu Kindern, die mit Eltern aufwuchsen, die gesellig und aufmunternd waren.

Wir haben als online-Selbsthilfe-Gruppe den Inner-Circle gegründet, um so eine Möglichkeit zu schaffen, mit anderen Betroffenen in Kontakt zu kommen. Auch hieraus können sich Bekanntschaften und Freundschaften entwickeln. Bei den Kursprogrammen allemal, weil man 3 Monate 3x die Woche in Kontakt ist. Auch andere Plattformen, wie z. B. nebenan.de eignen sich, um in der Nachbarschaft mal in Begegnung zu gehen. Keine Lösung ist es, in der Scham steckenzubleiben und die Einsamkeit wie einen ständigen Begleiter zu akzeptieren. Das macht uns krank und schwächt uns immens. Wir bieten ja auch eine Ausbildung zum Psychologischen Berater an für die Leute, die den narzisstischen Missbrauch hinter sich gebracht und verarbeitet haben. Anderen Betroffenen zu helfen kann eine wundervolle Aufgabe sein. Überhaupt ist auch eine ehrenamtliche Tätigkeit einsamkeitsreduzierend und gibt dem Selbstwert auftrieb. Schreibt gerne in die Kommentare, was euch guttut, um aus der Einsamkeit herauszukommen und wie ihr diese überwunden habt! Wir sind mehr Menschen denn je auf der Erde, da findet sich für jeden Topf ein Deckel – und nicht nur einer – versprochen!

Alle Infos zum Inner Circle: –> angelika-beck.com/inner-circle/

YouTube Video zur Einsamkeit –> youtube.com/watch?v=DwqwRYe6fKA

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  • Ich habe mich ehrenamtlich um Obdachlose in Hamburg gekümmert. Habe Spenden gesammelt, sortiert und an die Leute weitergeleitet, die sie verteilen.
    Das hat nicht nur Spaß gemacht, ich habe viele neue Kontakte geknüpft, sondern konnte mein Helfersyndrom befriedigen, das vor immer für meine Narzisstin da war und ihr immer wieder geholfen hat. Was mir noch gut getan hat, war das positive Feedback der Leute, was ich zehn Jahre nicht hatte und die Tatsache, dass ich etwas zurück geben kann.
    Also es war 100% positive und bestätigt fast wortwörtlich die Aussage von Frau Beck.

    Danke dafür

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