von Angelika Beck

„Es sollte mich eigentlich nicht geben“

„Ich bin eine Last für Andere“

„Ich bin wertlos“

„Ich muss ganz viel tun oder leisten, damit ich existieren darf“

„Meine Familie ist mit mir schlechter dran, resp. ohne mich wäre meine Mutter besser dran“

„Die Existenzschuld, also die Schuld und Bürde dafür, dass es mich überhaupt geben darf, wiegt so schwer, dass ich diese Last permanent ausgleichen muss durch Leistung oder Anpassung“

„Meine Geschwister soll es geben, mich nicht. Sie sind gut so wie sie sind, ich nicht“

„Meine Mutter hatte wegen mir ein schweres oder schlechtes Leben. Das muss ich kompensieren, mein Leben lang“

„Wenn ich versage, darf ich auch nicht mehr existieren“

„Wenn ich in meinen Anstrengungen nachlasse, was passiert dann?“

„Die Schuld, die ich erlebe, bringe ich schon mit auf die Welt“

„Ich kann diese Schuld niemals abtragen, sie hört niemals auf und sie wird immer größer sein als ich, als das, was ich wieder gutmachen kann, als das, was ich bin. Der Preis ist immer höher!

Manche Menschen kommen auf die Welt und sind sozusagen im Plus.

Sie erleben sich als Geschenk, als Bereicherung für ihre Mutter, ihren Vater und den Rest der Familie. Sie sind willkommen und mehr als das, sie bringen sozusagen eine Komplettausstattung mit. Will heißen, sie werden geliebt für ihre bloße Existenz, ihnen werden Fehler selbstverständlich verziehen, diese Eltern können Fehler nämlich als das sehen, was sie sind, Lernerfahrungen.

Diese Kinder haben ein dickes Plus auf ihrem Lebenskonto und sie wissen, dass dort immer Geld nachfließt. Von den Eltern, den Geschwistern, Freunden und sie finden auch selbst, wiederum ganz selbstverständlich, eigene Geldquellen im Leben. Das können andere Menschen sein, Hobbys, besondere Begabungen, aber auch eine hohe Motivation, weil das Leben per se schon ist und freiwillig!

Kinder, die mit einer Schuld auf die Welt kommen, die schuld daran sind, überhaupt am Leben zu sein, kommen im Gegensatz dazu mit einem riesigen Defizit auf die Welt.

Sie sind schon im Minus, bevor sie überhaupt denken können.

Sie haben von vornherein keine Chance, jemals über das satte Vermögen der Plus-Gruppe zu verfügen. Sie müssen sich ein Leben lang anstrengen, aus ihren Schulden zu kommen.

Sie lernen schon als Baby oder Kleinkind, dass hohe Erwartungen an es gestellt werden. Nämlich, dass es für seine Existenz bezahlt. Willst du leben, musst du leisten. Kannst du diese Leistung nicht erbringen, z. B. in der Schule, dann bleibt dir nur mehr die Option der Unterwerfung, des sich-klein-Machens, der Zurücknahme, des möglichst nicht-mehr-Atmens. Wenn es mich schon geben muss, dann nehme ich wenigstens so wenig in Anspruch wie möglich, weil ich meine Existenz durch Leistung nicht wettmachen kann.

Wo also die Plus -Kinder bei 100 Prozent Energie, Liebe, wohlwollende Zuwendung, Sicherheit und Annahme spüren, sind die Soll-Kinder im satten Minus. Von Anfang an spüren sie, dass sie- ohne entsprechende Gegenleistung – eine Last sind. Eine Bürde, die Mutter und oder Vater nie gewollt haben.

Dabei unterscheide ich explizit zwischen ungewollt und ungeplant.

Unfassbar viele Kinder sind ungeplant, was an sich nicht schlimm ist. Es wird erst dann schlimm, wenn aus ungeplant ungewollt wird.

Da wir unsere Existenz nicht vernichten können, und um mit unserer Existenzschuld leben zu können, versuchen wir, durch Veränderung unserer Person dieses Dilemma aufzulösen.

Wie soll ich sein, damit ich bleiben darf? Wie soll ich mich anpassen, damit du mit mir zufrieden bist?

Ich kann mir kein größeres Dilemma für ein Neugeborenes vorstellen als die Diskrepanz zwischen: „Es sollte mich nicht geben und wie soll ich mich anpassen, damit meine Schuld nicht noch größer wird durch das, was ich im Leben tue?“

Diese Grundhaltung führt unweigerlich dazu, dass jeder Fehler umso größer und stärker wirkt. Wir hatten von Anfang an nix im Klingelbeutel und nun befinden wir uns außerdem in einer lebenslangen Bringschuld. Ich kann mich selbst noch gut daran erinnern, immer mal wieder gedacht zu haben: „Ich wollte nicht auf diese Welt kommen, warum ist das jetzt mein Fehler, dass es mich gibt. Da war ich vielleicht 10 Jahre alt.“

Mit dieser Grundhaltung gehen wir selbstverständlich auch in Beziehungen.

Wie willst du mich haben, damit du bleibst? Was muss ich tun, damit du mich lieben kannst? So wie ich bin, bin ich ja erstmal nicht liebenswert, darum sage mir, was der Preis dafür ist, dass du mich weiterhin liebst?

Eine verkehrte Welt wenn man an die Kinder denkt, die hier willkommen sind. Auch und obwohl sie noch nie etwas dafür getan haben. Einsfach, weil ihre Eltern lebensfähig und liebesfähig waren oder sind. Einfach, weil diese Eltern um ihre Verantwortung wissen und wenn sie kein Kind wollten, selber schuld sind, wenn sie nicht verhütet haben.

Sie projizieren ihre Abneigung nicht auf das Kind, sie sind reif genug, ihr Schicksal nicht auf das kleine Wesen zu übertragen und es dafür abzulehnen. Sie wissen, dass sie sich das selbst angetan haben, wenn sie ihren Säugling als Lebenslast erfahren. Mehr noch: Sie sind vielleicht sogar in der Lage, etwas Gutes daraus zu machen. Sich auf das Kind einzulassen, es zu lieben und anzunehmen, wirklich von Herzen anzunehmen.

Diese erwachsenen Eltern handeln nicht nach dem Motto: „Wenn …dann. Wenn du brav bist, schimpf ich heute nicht mit dir. Wenn du gut in der Schule bist, bekommst zwischendurch auch mal ein Lob. Wenn du pflegeleicht bist, geht es Mama besser.“

Was für eine beschissene Lage für jedes kleine Wesen, das sich seine Existenz eben nicht selbst ausgesucht hat.

Zu welcher Gruppe würdest du dich selbst dazu zählen? Zu den Plus-Kindern oder zu den Kindern mit der Existenz- und Bringschuld?

Und ist dann alles vergeblich, alle Anstrengung wirklich umsonst? Aber nein, natürlich nicht 🙂

Wenn wir zu den Kindern mit Existenzschuld gehören, ist es einfach wichtig, dass wir uns dieser Prägung und dieses Einflusses stellen. Dass wir uns mit ganzer Kraft einmal dem damit verbundenen Schmerz aussetzen, den dieser Umstand mit sich bringt. Es ist von vornherein unfair und es ist und war niemals gerecht! Punkt!

Aber: Es hatte und hat auch niemals etwas mit uns oder unserer Person zu tun. Die Mutter hätte jedes Kind als Überlastung empfunden und der Vater wollte überhaupt keine Kinder oder nicht mit dieser Mutter. Du bist aus einem Seitensprung entstanden oder in der Nachkriegszeit, wo es noch keine zuverlässige Verhütung gab. Es waren genügend Kinder da oder du hättest ein Junge werden sollen?

Wir könnten endlos ausführen, wichtig zu verstehen ist:

Welche Karten hat mir das Leben auch immer gegeben hat, ich mache jetzt „MEIN BESTES DARAUS!“

Wer es am Anfang schwer hat, der wächst oft unglaublich stark ins Leben rein, der kann kämpfen und der kann immer wieder aufstehen. Im Gegensatz manchmal zu den Kindern, denen alles abgenommen wurde und die mit Weintrauben im Mund und im goldenen Käfig aufwuchsen.

Auch das kann nämlich eine Last sein, dieses Status Quo ein Leben lang aufrecht zu erhalten.

Wie auch immer – setzen wir uns aktiv mit diesem Thema auseinander, um es dann für immer loslassen zu können.

Schuldgefühle schleichen sich unbewusst ein und prägen unseren Blick auf die Welt und uns selbst. Entlarven wir sie und lassen sie nicht ungehindert weiter wirken und uns damit schmälern.

Thema des Monats November im inner-circle (online-Selbsthilfeformat mit professioneller Leitung)

Schuld, Scham und Schwäche. Aktuelles Thema: Angst

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