von Angelika Beck

Häufig beginnt der Kampf des Lebens schon vor der Geburt. In einer Phase, an die wir uns nicht bewusst erinnern können, die uns jedoch bereits stark geprägt hat. Gerade in den 50er/60er und auch noch in den 70er Jahren war es durchaus üblich, dass man heiraten musste, wenn ein Kind unterwegs war. Das ganze Leben entschied sich also womöglich in einer Stunde des sich-Gehenlassens, sich-Vergessens und eigentlich auch des sich-Vergnügens. Die Verhütung war in diesen Zeiten noch nicht so üblich wie heute, die Aufklärung lückenhaft. Vielleicht wünschte sich die Mutter sogar ein Baby, um so den Mann an sich zu binden, oder aus der Berufstätigkeit aussteigen zu können. Ist das Kind allerdings erstmal da, können diese Mütter es oft nicht wirklich mit Liebe aufnehmen und empfangen.

So kommt es dazu, dass das Kind zwar gut versorgt wird, scheinbar, denn es bekommt Essen und Trinken, wird gewickelt und spazieren gefahren, aber an emotionaler Zuwendung und Wärme mangelt es massiv. Gerade bei den Kindern, die in die Welt gesetzt wurden, um eine bestimmte Funktion zu erfüllen. Man sollte tatsächlich nicht glauben, wie tief dieses Wissen im Menschen verankert ist, wie stark er ein Leben lang spürt, dass er eigentlich unerwünscht ist, dass er eigentlich nicht richtig ist, so wie er ist (vielleicht sollte sie ein Junge werden) ebenso unfassbar ist es, wie sehr wir Menschen dann spüren, dass wir nicht um unser selbst Willen geliebt werden, sondern dass diese Liebe an Bedingungen geknüpft ist. Nur wenn wir eine bestimmte Aufgabe, eine gewisse Funktion erfüllen, dann gibt es Zuwendung. Nur wenn wir Mutti glücklich machen…

Funktionen können sein, eine gute Schülerin, die die Mutter nach außen vorzeigen kann. Funktionen können sein, eine gute Hilfskraft für den Hof, oder eine große Schwester, die Mutter für die kleinen Geschwister „spielt“. Funktionen können auch sein, die Ehe der Eltern zu stabilisieren, weil sie sich fortan immer und immer wieder um das Kind drehen können. Systemisch betrachtet steht das Kind damit zwischen den Eltern, vielleicht gibt es auch viele Konflikte über Erziehung und Zuständigkeiten, das Kind wird jedoch deutlich spüren, dass es auf der Welt ist, um den Eltern einen Grund zu liefern, sich nicht direkt miteinander beschäftigen zu müssen oder überhaupt des Kindes wegen in der Beziehung zu bleiben. Der Loyalitätskonflikt, in den das Kind damit kommt, ist leicht vorstellbar.

So wurden also in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg viele Menschen geboren, die das Leben als Kampf verstehen mussten – von Anfang an. Vielleicht wollte die Mutter sie abtreiben (in den 50ern und 60ern hat man den Müttern häufig geraten, die Treppen hinunterzuhüpfen, um das Ungeborene los zu werden, oder es mit Stricknadeln zu versuchen – unfassbar!!), allerdings mag man sich natürlich auch leicht die Verzweiflung dieser Mütter von damals vorstellen, die mit einer Schwangerschaft ihr ganzes weiteres Leben entschieden, oder gar verwirkt hatten.

Dieses Baby kämpft also schon im Mutterleib womöglich um das Überleben, dann kämpft es nach – oder auch während der Geburt – um das emotionale Überleben, weil diese Mütter ihre Kinder nicht von Herzen lieben, sondern nur versorgen (nach dem Motto: satt und sauber genügt), sie wenden sich nicht mit Zärtlichkeit und Wärme an das Kind, sie schützen es nicht (auch nicht z. B. gegenüber dem Vater, Lehrern, Pfarrern…), das Kind fühlt sich von klein auf einsam, es wird unsicher, was es hier eigentlich soll und was es wollen darf, es bildet keinen starken Selbstwert aus, passt sich extrem an, um so irgendwie möglichst unbeschadet durchs Leben zu kommen.

Wir können uns gut und leicht vorstellen, wie ein solcher Mensch, mit diesen Prägungen und Konflikten beladen, später in eine Liebesbeziehung geht. Er wird nicht verwundert sein, wenn es wegen ihm Ärger gibt, denn das kennt er von Anbeginn, er wird sich auch nicht wundern, wenn diese Beziehung aus ständigen Streitereien und Machtkämpfen besteht, denn auch das kennt er lange schon. Dass er abgelehnt, nur geduldeter Gast und häufig Anlass zu Ärger bietet, auch das ist ihm zur Gewohnheit geworden und somit kein Grund, die Beziehung zu verlassen und jemanden zu suchen, der es besser mit ihm meint. Er weiß im Grunde gar nicht, dass es das geben kann und wie sich das anfühlt! Er kam im Kampfmodus auf die Welt und hat sich bis hierher durchgebissen, warum sollte das Leben also plötzlich leicht gehen, ihm einen Partner präsentieren, mit dem es einfach geht, liebevoll und wertschätzend. All diese Emotionen kennt eine Kämpfernatur nur aus ihren Träumen! Aus ihren Parallelwelten, in die es sich flüchtet, wenn die Wirklichkeit unaushaltbar wird. In diesen Träumen geht das Leben leicht. Der Mann liest einem die Wäsche von den Augen ab, er trägt einen auf Händen, geschätzt sie, ist für einen da und behandelt einen voller Liebe und Wertschätzung!

Dies ist genau die Eintrittskarte für den Narzissten! Er gaukelt uns vor, dieser Prinz zu sein und kommt mit all diesen Attributen auf uns zu. Kein Wunder also, dass wir mit beiden Händen zugreifen und ebenfalls kein Wunder, dass wir nie mehr loslassen wollen!! Endlich scheint dieser Kampf vorbei zu sein, endlich scheint sich die Traumwelt in Realität zu verwandeln, endlich scheinen die Sehnsüchte erfüllt, die Bedürftigkeit gestillt und die Wunden zu heilen.

Ist es also verwunderlich, dass wir enorm viel in Kauf nehmen, dies nicht mehr aus unserem Leben verschwinden zu lassen. Ist es also verwunderlich, wenn wir viel, sehr viel, ja fast schon alles in Kauf nehmen, uns gefallen lassen, einbüßen und verlieren, um nur dieses überlebenswichtige Gefühl der bedingungslosen Liebe behalten zu dürfen? Nein – ist es nicht! Natürlich nicht! Die Crux ist nur, dass wir einem Phantom hinterhertragen. Einem Trugbild, das es so nie gegeben hat. Einer Fata Morgana, einer Mogelpackung und diese Erkenntnis….die spült die ganzen alten Schmerzen wieder mit hoch. Somit erscheint sie uns als unaushaltbar, unüberwindbar, sie katapultiert uns in eine Hoffnungslosigkeit, in eine Erstarrung, dass wir am liebsten aufgeben würden. Einfach die Schläge weiter einstecken, den Schmerz über uns ergehen lassen und manchmal gar den Wunsch verspüren, überhaupt nichts mehr spüren zu müssen, überhaupt nicht mehr kämpfen und manchmal sogar überhaupt nicht mehr leben zu müssen. So weit kann uns dieser Schmerz treiben, so weit unten können wir durch die narzisstische Beziehung landen.

Und doch ist es nicht der Narzisst allein! Er hat die Wunden aus der Kindheit nicht geschlagen – er hat sie „lediglich“ re-aktiviert. Er hat diese traumatischen Verletzungen, diese Kämpfe von früher nicht veranstaltet, er lässt sie uns allerdings neu erleben, im Hier und Jetzt, und das in einer Intensität, die uns sprachlos macht. Der erste Gedanke könnte jetzt lauten: „Schau, dass du diesen Partner los wirst, dann kommt dein Leben wieder in Ordnung!“ Wenn wir uns jetzt die oben geschilderte Biografie anschauen, ist das dann wirklich die ganze Lösung? Die ganze Wahrheit zur heil-Werdung?

Ich denke nicht! Der Narzisst ist durch unser persönliches Minenfeld getrampelt und hat eine Explosion nach der anderen ausgelöst. Und das – nachdem er uns zu Beginn weich geschmust hat und wir so alle Vorsichtsmaßnahmen heruntergeschraubt haben. Diese Explosionen treffen uns also ohne Rüstung, ohne Schutzhelm und ohne, dass wir darauf vorbereitet wären. Wir haben unsere Vorsicht abgelegt, weil er uns verführt in Sicherheit gewiegt hat. Dieses Wiedererleben von frühen Kindheitstraumata, dieses Zurückwerfen in alte Schmerzen, und diese Ohnmacht, in die wir mit einem Narzissten verfallen, all das sind die Punkte, an denen wir ansetzen müssen. Natürlich fügt uns der Narzisst hier und heute diese Schmerzen zu, aber er hat die Minen nicht gelegt – in den meisten Fällen zumindest nicht!

Ergo – gehen wir doch mal bewusst und sehenden Auges durch unsere Lebenslandschaft, vielleicht mit einem Experten für Minen-Entschärfung und tragen so selbst dafür Sorge, dass wir die Minen-Trigger ausschalten, dass wir sie selbst zur Explosion bringen, kontrolliert und mit dem entsprechenden Schutz, sodass wir künftig nicht auf die Hoffnung setzen müssen, dass keiner mehr auf unseren Minen tritt! Das wünsche ich euch! Dafür bin ich angetreten und daran glaube ich! All meine Erfahrung spricht dafür, dass dieses Vorgehen die größten Chancen mit sich bringt, in Zukunft ein Leben mit mehr Leichtigkeit leben zu können, ein Leben, das authentisch ist – bei vielen zum ersten Mal, ein Leben, in dem wir nicht nur von Bedürftigkeit getrieben und von Kampf geschwächt werden. Ein Leben, das WIR SELBST erwählen, ein Leben, das aus kontrollierbaren Gefahren besteht, ein Leben, das wir uns erschaffen, und ein Leben das aus dem Mangel heraus in die Fülle führt! Aus der Abhängigkeit und Unterwerfung in die Freiheit und in DEIN Leben!

Beschäftige dich intensiv und vor allem aktiv mit dem Thema, verarbeite und integriere, entwickele dich weiter und mach deinen Frieden! Und dann – ganz wichtig – lass es wieder hinter dir! Beschäftige dich nicht endlos mit Narzissten und dem Thema Narzissmus – geh weiter in der rechten Zeit, nach der Verarbeitung kommt die Verabschiedung und das Aufschlagen eines neuen Kapitels! Auf einer besseren und leichteren Ebene – das wünsch ich dir!

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