Kind auf Traktor
von Angelika Beck

Zugegeben: Die ersten 40 Jahre meines Lebens habe ich praktisch ohne Plan verbracht! Ich hatte mir gar keine Gedanken darüber gemacht, dass ich überhaupt einen solchen Plan für mein Leben entwerfen könnte. Es lief doch sowieso alles in geregelten und einigermaßen vorgegebenen Bahnen ab, oder etwa nicht? Nach der Schule kommt die Ausbildung oder ein Studium, dann heiratet man und gründet eine Familie, je nach Geldbeutel baut man dann ein Haus, oder zieht bei den Schwiegereltern unters Dach mit ein, dann kommen die Kinder und danach für die Frau, wenn die Kinder größer sind, ein Halbtagsjob. Abends vielleicht Yoga oder ein Treffen mit Freundinnen, 1-2 x im Jahr fährt man in den Urlaub und so läuft die Zeit dahin. Alles vorgegeben! So dachte ich zumindest in den ersten Lebensjahrzehnten. Ich machte mir keine Gedanken über mein eigenes Leben. Wie es aussehen sollte, wo es hinführen sollte, wie es stattfinden sollte. Eigentlich war es eher so, dass ich quasi das Vorgegebene abspulte und herunter-lebte, wobei es mir dann dabei mal besser und mal schlechter ging. `

 

K R I S E

 

Wie so häufig, musste auch bei mir erst eine Krise kommen, damit ich aufwachte. Eine Krise, die das Unterste zuoberst kehrte, die alle bis hierher geltenden Werte und Regeln infrage stellte. Ich hatte schon seit früher Jugend immer wieder das Gefühl: „Das kann doch nicht alles sein“. Ein vorgegebenes Leben, das man abspult. Ich wusste auch von mir, dass ich mich schnell langweilte, ich brauchte oft neue Impulse, wollte ständig was Neues dazu lernen, war ungeheuer neugierig auf alles, was mit Menschen zu tun hatte. Ich spürte auch, dass die Ängste meiner Eltern gar nicht meine Ängste waren. „Such dir einen Job im öffentlichen Dienst. Da bist du sicher!“ Schön und gut, aber Sicherheit war gar kein wichtiges Kriterium für mich, denn Sicherheit bedeutet allzu oft auch Routine und damit Langeweile. Puh, es hat mich 4 Jahrzehnte gekostet, bis ich anfing, meinen Weg zu suchen und die ganzen Unkenrufe zu ignorieren. Bis ich anfing, die Ängste der Anderen von meinen zu differenzieren, kurz gesagt: Bis ich mich auf die Reise zu mir selbst machte!

 

Wie wahrscheinlich auch die Meisten von euch hatte ich mich nämlich bis zu diesem Punkt vornehmlich darüber definiert, wie Andere mich sahen. „Du bist ja ein fleißiges Mädchen!“ (als ich mein Abitur geschafft hatte), „Du wirst schon noch sehen, wo das hinführt! Du willst doch ein anständiges Mädchen sein! (als ich meinen ersten Freund hatte). Kurz und gut: Was ich machte, wie ich mich verhielt, was richtig oder falsch war, was mir einen hohen oder auch einen niedrigen Wert zubilligte, darüber bestimmten Andere. (in meinem Fall, wie wohl bei den meisten, die Eltern). Sie hatten es gut gemeint, wollten auch Werte und Normen mitgeben, aber damit war ich natürlich auch in Kategorien eingeteilt, die wenig bis gar keinen Spielraum ließen.

 

Bist du fleißig = bist du wertvoll!  Musst du eine Schulklasse wiederholen = bist du dumm und faul!

Welche Werte und Normen waren es bei dir,

 

nach denen du dich richten solltest? Wann warst du brav, fleißig, anständig, lieb, Mamas Liebling oder Papas Schatz? Ihr merkt schon, dass diese (zumeist unbeabsichtigten) Manipulationen uns darauf ausrichten, dass uns unser Wert von Außen gegeben wird. Jede Familie hat mehr oder weniger eigene Werte, nach denen sie lebt. Bei der einen musst du Fußball spielen, damit du glänzen kannst, bei der anderen vor allem brav und angepasst sein, denn so sind anständige Mädchen nun mal. Bei ganz vielen ist die Leistung ein Kriterium, und wenn du gute Leistungen bringst (in der Schule), dann machst du damit „Mama und Papa glücklich“! Im umgekehrten Falle natürlich bist du entsprechend eine Last, machst den Eltern Kummer, bist du schuld, wenn sie sich streiten, kann deine Mutter wegen dir „kein Auge zutun“, bist du eine Last und – da jedes Kind von Geburt an eine Freude für seine Eltern sein will – wird es alles tun, um die Eltern zu entlasten. Um keinen Anlass für Streit zu bieten. Viele – vor allem Mädchen – machen sich dabei so klein, dass sie

fast schon verschwinden. Sie entwickeln schon ganz früh Antennen, für die Stimmungen in der Familie. Sie hören schon am Aufschließen, wie der Vater drauf ist, wenn er nach Hause kommt. Sie werden schon ganz früh zum Prellbock, weil die Eltern sich eigentlich gar nicht mehr verstehen und nur noch über die Kinder kommunizieren.Fast könnte man meinen, dass Mädchen in dieser Phase anfangen, die Luft anzuhalten, nur um nicht geschimpft zu werden. Dass sie sich bis zur Unkenntlichkeit verbiegen für ein bisschen Liebe. Denn wir sind als Kinder auf die Liebe der Eltern angewiesen: existenziell!!Es braucht nun wirklich kein kriminalistisches Gespür, um mögliche Zusammenhänge und Erklärungen, warum Frauen in narzisstische Beziehungen geraten und vor allem, warum sie darin verharren, zu erkennen.

 

Geh` doch einfach mal mit dir selbst ins Gericht! (Du musst es ja keinem sagen 🙂 🙂 🙂

Wer sitzt bei euch in der Ehe/Partnerschaft/Familie am Steuer? Wer macht die Vorgaben und wer erfüllt sie (überwiegend)? Wer agiert und wer reagiert? Wer dominiert und wer kuscht??

Mach` doch mal Folgendes, einfach um deinen derzeitigen Ist-Zustand zu beleuchten:

Führe über 4 Wochen ein Tagebuch, in dem du notierst, welche Auseinandersetzungen, welche Meinungsverschiedenheiten, welche Streitigkeiten zwischen dir und deinem Partner so ablaufen. Ganz ohne Bewertung, einfach Fakten notieren. Konkret machst du 4 Spalten, in die

  1. schreibst du den Auslöser (für die Auseinandersetzung), in die
  2. Spalte: deine Kommentare/Verhalten und in die
  3. Spalte: seine Kommentare/Verhalten . Am Ende notierst du den Ausgang der Situation in der
  4. Spalte . Wir werden in einem der nächsten live-videos dann gemeinsam die Auswertung vornehmen und interpretieren. Du kannst das Ganze auch etwas abwandeln, Hauptsache du hältst es mal fest. Hier ein Beispiel: Du telefonierst mit einem Bekannten, dein Freund Peter kommt heim und reagiert eifersüchtig:
  5. Spalte (Auslöser): Ich telefoniere mit einem Bekannten Mein Freund Peter kommt heim und fragt mich , mit wem ich am Telefon gesprochen habe.
  6. Spalte (mein Kommentar): Ich erkläre Peter, dass es nur ein guter Bekannter war am Telefon.
  7. Spalte (sein Kommentar/Verhalten): Peter brüllt, dass ich ihn hintergehen würde und heimlich ein Verhältnis hätte.
  8. Spalte (Ausgang der Situation): Peter verlässt die Wohnung und ist über Tage nicht für mich erreichbar.

 

Hier noch ein paar Impulsfragen, zum Thema: „Wer sitzt an meinem Lebensrad?“  auf die ich in einem der nächsten Artikel eingehen werde.

* Wie gut kennst du dich selbst? Deine Stärken und Schwächen, deine Bedürfnisse, deine Ressourcen, deine Werte und Normen.

* Wie gut kennst du deine Grenzen? Und wie sehr achtest du darauf, dass diese von anderen Personen eingehalten und respektiert werden?

* Hast du bereits einen Lebensentwurf, dem du folgst?

* Wann hast du zum letzten Mal konkret dein Leben geplant? An Silvester vielleicht?

* Lässt du dich bislang noch eher vom Leben treiben und möchtest gerne künftig dein Leben in beide Hände nehmen, um es wirklich auszufüllen, um es wirklich zu DEINEM Leben zu machen?

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